Opfert Schleswig-Holstein die Fischerei dem Vogelschutz?

08.09.2018

Pressemitteilung vom 28.08.2018

Opfert Schleswig-Holstein die Fischerei dem Vogelschutz?

Lübeck: Der Deutsche Fischerei-Verband verweist auf den Beschluss des Europaparlaments vom 12. Juni 2018 und kritisiert die Absicht Schleswig-Holsteins, sich aus der Verantwortung für ein koordiniertes Kormoranmanagement zu stehlen.

Das Europaparlament fordert: „die Kormoranbestände mit allen Mitteln drastisch auf ein derartiges Maß zu reduzieren, dass einerseits die Bestandserhaltung der Kormorane gewährleistet wird und andererseits keine Bedrohung für andere Arten entsteht und Schä-den in den betroffenen Aquakulturen abgewendet werden.“

Der Deutsche Fischerei-Verband erwartet von der EU-Kommission, der Bundesregierung und den Bundesländern die schnelle Umsetzung dieses wegweisenden Beschlusses. Dazu Stefan Jäger, Vorsitzender der Kormorankommission des Deutschen Fischerei-Verbandes: „ Die bisherige Untätigkeit in Sachen Kormoranmanagement gefährdet den Fischarten-schutz, den Fortbestand von Teichwirtschaften und die nachhaltige Bewirtschaftung von Fischbeständen in Deutschland und ganz Europa. Gleiches gilt für das aktuelle Vorhaben der schleswig-holsteinischen Landesregierung, Vergrämungsabschüsse von Kormoranen an Binnengewässern zu stoppen. Stattdessen sollen die Ertragsausfälle der Berufsfischer zu rund einem Viertel entschädigt werden.“

Sabine Schwarten, Berufsfischerin in der 40. Generation aus Schleswig-Holstein: „Dieses Vorgehen bedeutet auch das mittelfristige Ende der jahrhundertealten, handwerklichen Seenfischerei in Schleswig-Holstein. Ich sehe mich als Opfer eines ideologischen Vogelschutzes.“

Hintergrundinformationen:
Nach dem Verbot des Umweltgiftes DDT hat sich der einst gefährdete Kormoranbestand in den letzten Jahrzehnten auf historische Höchststände entwickelt. Allein in Deutschland brüten mehr als 50.000 Kormorane. Für ganz Europa schätzt man ihre Zahl auf über 1,2 Mio. Wegen der verheerenden Auswirkungen auf die Bestände verschiedener Fischarten wie Äsche oder Aal und den massiven Schäden in der traditionellen Teichwirtschaft hatte das Europaparlament die EU-Kommission bereits im Jahr 2008 zur Etablierung eines Bestands-managements für den Kormoran aufgefordert. Dem kam die Kommission bis heute nicht nach. Vielmehr schieben sich die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten gegenseitig die Verantwortung zu. Mit der Aufnahme des Kormorans in Anhang II a der EU-Vogelschutz-richtlinie muss die Kommission jetzt den Weg zu einem nachhaltigen Bestandsmanage-ment frei machen. Denn erst die Anpassung des Schutzstatus auf europäischer Ebene ermöglicht den Mitgliedsstaaten rechtssicheres Handeln. Bisher weigert sich die EU-Kommission und wiederholt zugleich diesen Fehler bei Arten wie Biber und Wolf.

Jetzt müssen endlich Taten folgen! Die eindeutige und unmissverständliche Forderung des Europaparlaments, dass die Kormoranbestände mit allen Mitteln drastisch reduziert werden müssen, lässt keine weiteren Verzögerungen zu. Hierzu findet am 9. Oktober auf Initiative der European Anglers Alliance ein Treffen mit Wissenschaftlern, Vertretern der Angler- und Fischereiverbände und den Vertretern der EU in Brüssel statt. Die Vereinigungen der Fischer und Angler in Deutschland und Europa erwarten klare Aussagen der EU-Kommis-sion, dass die ersten Schritte für ein europäisches Management mit Reduktionsmaßnah-men bereits vor den Europawahlen eingeleitet werden. Wenn nötig, wird sich der DFV an den Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments wenden.

„Wir sind auf dem besten Weg uns in einen Zweiklassen-Naturschutz zu bewegen. Tiere mit der größten Lobby genießen dabei einen höheren Schutz als andere. Deutschland, wie auch allen anderen Mitgliedsstaaten der EU, haben sich als Unterzeichner des Überein-kommens der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, Rio de Janeiro 1992) dazu verpflichtet, nicht nur einzelne Arten, sondern auch die genetische Vielfalt innerhalb einer Art zu schützen. Das gilt für Fische genauso wie für Vögel und Säugetiere. Viele Fische haben insbesondere in den Oberläufen der Flüsse über hunderte von Jahren genetisch einzigartige Populationen ausgebildet. Die ausufernden Kormoranbestände bringen auf ihren Winterzügen neben den fischereiwirtschaftlichen Schäden diese Populationen an den Rand ihrer Existenz. Sie drohen auszusterben.“, so Stefan Jäger, Vorsitzender der Kormorankommission.

Alle Mitglieder des DFV werden ihrerseits aufgerufen, bei den für sie zuständigen EU-Parla-mentariern die Umsetzung ihres eigenen Beschlusses vom 12. Juni 2018 einzufordern. Völliges Unverständnis bringt die Kormorankommission der offensichtlichen Absicht des Landes Schleswig-Holstein entgegen, die letalen Vergrämungsmaßnahmen zum Fisch-artenschutz an den fischereilich bewirtschafteten Binnenseen zu stoppen und die Fische den Kormoranen zu opfern. Das gefährdet nicht nur die Artenvielfalt in den Gewässern, sondern dürfte auch mittelfristig das Ende der jahrhundertealten, handwerklichen Seenfisch-erei in Schleswig-Holstein sein. Versprochene Entschädigungszahlungen, mit denen die mehrheitliche Zustimmung der Fischer für dieses Vorgehen offensichtlich erkauft wurde, dürften diese Entwicklung nicht aufhalten. Insofern stellt sich die Schleswig-Holsteinische Landesregierung unmittelbar gegen den gerade gefassten Beschluss des Europaparla-ments, denn die geplanten Abschussverbote an den großen Binnenseen des Landes wirken der geforderten drastischen Reduktion des Kormoranbestandes in Europa entgegen. Außer-dem unterläuft diese Entscheidung die Bemühungen Dänemarks, seine heimischen Lachs- und Meerforellenbestände durch eine umfassende Bestandsregulierung des Kormorans zu schützen.

Nach Berechnungen der Landesregierung Schleswig-Holsteins beläuft sich der von Kor-moranen allein auf den von Berufsfischern bewirtschafteten Seen verursachte Schaden auf jährlich mehr als 600.000 €.


Kontakt: Stefan Jäger – 0172 21 38 521

 

Bild zur Meldung: Pressemitteilung des Deutschen Fischereiverbandes