Angeln ist Kulturgut - Artensterben ist die Entourage ungezügelten Profits

23.06.2017

Diskussion zur geplante Natura 2000 Landesverordnung

Ein Kommentar von Gerhard Jarosz

 

Ob unsere Landesregierung und unsere Volksvertreter immer so wissen, welcher Geist in einigen Verwaltungsstuben herrscht, mag ich nicht zu beurteilen. Dass aber ein Haupthemmnis zur Erreichung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten in FFH Gebieten der Tourismus und das Angeln sein soll, sticht dem aufmerksamen Leser beim Studium der Aufstellung für die Schutzzonen in Vogelschutzgebieten ins Auge.

 

Dass das Artensterben und die daraus resultierende Schutzbedürftigkeit mit unserem Wirtschaften zu tun hat, scheint dagegen als Naturgesetzes angenommen zu sein. Erst dann kann man sich auch solche Formulierungen, wie im Managementplan für das „SPA 004 Helme-Stausee Berga-Kelbra“ erklären, in der es heißt: „Wie bereits im Kapitel 5.3.1 erwähnt, ist die derzeitige Situation der Erholungsnutzung die Hauptgefährdungsursache der Brut- und Rastvögel im UG“.

Aber damit nicht genug. Allein für unser SPA  ("Special Protection Areas"- "Besonderes Schutzgebiet") gibt es nachfolgende neue, verschärfende Vorschläge:

  • eine weitere, massive Ausweitung des Betret-und Befahrverbotes (vom 1.9.-31.12.),
  • eine vollkommen unbegründete Einschränkung der Angelstecke,
  • ein umschriebenes Nachtangelverbot,
  • andere touristische Nutzungen bleiben vage,
  • ein Verbot des Kitesurfen,
  • keine gewerblichen oder öffentlichen Veranstaltungen außerhalb von geschlossenen Räumen,
  • keine gemeinschaftlichen Fischereiveranstaltungen in der Zeit vom 1. März bis 30. Juni,
  • Veranstaltungen außerhalb dieses Zeitraumes sind auf max. 25 Personen zu begrenzen; ausgenommen sind Hegeveranstaltungen,
  • keine Drachen steigen lassen,
  • da nur muskelbetriebenen Booten das Befahren erlaubt ist, steht das Segeln wohl auch auf der Kippe

 

Auch in anderen Landesteilen sind großflächige Verbote im Gespräch.

So soll an der Elbe im SPA 001 „Mittlere Elbe einschließlich Steckby-Lödderitzer Forst“ nachfolgende Verbote auf den ersten 500 m eines jeden Elbkilometers gelten:

  • kein Betreten des Elbufers,
  • kein Angeln,
  • kein Anlanden,
  • kein Zelten,
  • kein offenes Feuer und kein Baden am Elbufer in der Zeit vom 15. April bis 31. Juli

 

Dass das Vogelsterben dramatische Ausmaße angenommen hat, steht außer Zweifel. Fast drei Viertel der einheimischen Vogelarten der Äcker und Wiesen stehen auf der aktuellen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands. Am stärksten sind jene Arten betroffen, die in Agrarlandschaften leben. Ihre Lebensräume werden durch die großflächige industrielle Landwirtschaft zerstört. Pestizide, insbesondere Breitbandherbizide- und Insektizide, vernichten zudem ihre Lebensgrundlagen. Wo es kaum mehr Insekten gibt, fehlt vielen Vögeln die Nahrung.

 

Die Bundesregierung selbst sieht deshalb „erheblichen Handlungsbedarf zum Schutz der Agrarvögel“. Doch beherztes Handeln ist nicht zu erkennen, um die Zerstörung der Lebensgrundlagen der Vögel aufzuhalten.

Eine Forderung zum besseren Biotopenschutz von uns lautet deshalb: Holen Sie die Vielfalt der Landschaften zurück! Hecken, Bäume, Sträucher und Blühpflanzen sind der Lebensraum für Vögel, Insekten und viele weitere Tiere. Solche Landschaftselemente zwischen den Feldern müssen verpflichtend vorgeschrieben werden.

Gleiches gilt für die Fische. Der Eintrag von gewässerschädigenden Substanzen in unsere Fließ- und Standgewässer durch unzureichende Pufferwirkung der Gewässerrandstreifen, zu hohe Nitrat- und Phosphatwerte unserer Oberflächengewässer, sind nur einige Faktoren, die der Artenvielfalt bei den „lautlosen Botschaftern intakter Natur“ den Fischen, entgegenstehen.

 

Hier liegt nach meiner Auffassung das eigentliche Arbeits- und Bewährungsfeld für unsere Verantwortungsträger zum Schutz, nicht nur der Vögel, sondern der Lebensgrundlagen aller. Nicht billige Schuldzuweisungen, sondern konsequentes Zurückfahren der Ursachen steht auf der Agenda.

Mit der in Vorbereitung befindlichen Landesgesetzgebung gibt es die Chance auf die Schaffung einer breiten Naturschutz-Allianz. Darin liegt hundertfach mehr positives Entwicklungspotential, als jemals mit unkontrollierbaren Betretungsverboten erreicht wird. Intelligent gemacht sieht anders aus, als einfach nur gestrichen.

Wer die Willigen vor die Tür setzt, öffnet für destruktive Kräfte Tür und Tor. Aus meiner Sicht bleibt es dabei, Angeln ist schützenswertes Kulturgut. Schutz durch Nutz hat sich über Jahrtausende bewährt. Anders ist es wohl bei den SPA. Hier sollten die Verantwortlichen besser darüber nachdenken, wie sie bereits bestehende Regelungen im täglichen Leben durchsetzen. Dafür fehlt ihnen offensichtlich jetzt schon die Kraft. Ein wirksamer Fortschritt beim Artenschutz wird nicht von der Druckerschwärze im Landesgesetzblatt abhängen. Jede weitere Verschärfung läuft Gefahr, das Schiksal der Volksweisheit, die da lautet: "gelesen, gelocht, gelacht"  zu ereilen und bleibt ein Papiertiger mit viel weitreichenderen Folgen.

 

Die organisierten Angler reichen für eine lebensnahe, konstruktive Allianz die Hand. Es liegt in der Hand des Gesetzgebers, gesellschaftliche Akzeptanz in gemeinschaftliches Engagement für den Naturschutz zu lenken.

 

Ich wünsche den Verantwortlichen mit einem herzlichen „Petri Heil!“, einen ebenso großen Wurf, wie er Martin Luther mit der Übersetzung der Bibel ins Deutsche gelungen ist. Das Glück des Simon-Petrus in den biblischen Fischzügen des Lukas- und Johannes-Evangelium, wird dann auch auf wundersame Weise für das Gleichnis im Matthäus-Evangelium 6,26 Realität.

 

 

 

 

Bild zur Meldung: Natura 2000 - aktuelle Diskussion